Lachen mit Haltung - wie du Humor nutzt, ohne zu verletzen
„War ja nur ein Witz…“ – oder war’s doch eine verbale Ohrfeige?
Humor kann verbinden. Humor kann entspannen. Humor kann Welten öffnen.
Aber Humor kann auch trennen, verletzen und Macht demonstrieren.
Und genau deshalb braucht es eine klare Haltung zum Humor: eine, die Verantwortung übernimmt. Die unterscheidet zwischen Lachen miteinander und Lachen gegeneinander. Zwischen einem befreienden Lächeln – und einem Schlag unter der Gürtellinie mit Pointe. Einfach, weil’s grad so gut gepasst hat.
Die Erste-Hilfe-Frage: Lache ich MIT – oder ÜBER?

Der einfachste Selbsttest ist folgende Frage:
„Würde ich auch lachen, wenn jemand anderes diesen Spruch über MICH macht – in genau der Situation, in der die andere Person gerade ist?“
Wenn du zögerst oder „Nein“ denkst – ist es wahrscheinlich verletzender Humor.
Ich nenne sie meine "Erste Hilfe Frage“, doch sie reicht leider nicht immer aus. Denn oft lachen privilegierte Personen über Witze, die sie nie betreffen – weil sie deren Wirkung nicht erfassen können.
Privilegierte Personen sehen ihre Privilegien in der Regel nicht, denn für sie sind sie ja selbstverständlich.
Ein Beispiel: misogynistische Witze über Frauen. Wenn Männer darauf angesprochen werden, ob sie es umgekehrt lustig fänden, kommt oft: „Na klar, ist ja lustig.“
Aber sie wissen nicht, wie es ist, eine Frau zu sein (Ja, echt!! ;-)). Sie können die Struktur, die mit dieser Diversitätsdimension wirkt, nicht erkennen, weil sie sie nicht am eigenen Leib erlebt haben.
Ich erinnere mich noch genau daran, als mir Peter (Name geändert!) mit einem spöttischen Grinsen folgenden Witz erzählte:
„Was ist die ideale Frau? Na?
Blind, taub, stumm – und mit dem Kochlöffel in der Hand.“
Ich lachte nicht. Kein bisschen. (Dabei bekoche ich andere doch so gerne. Aber sicher nicht mehr Peter, das ist klar.)
Mein inneres Fazit in dem Moment: Auf diesem Niveau will ich gar nicht mehr reden.
Ich zog mich zurück – nicht aus Kränkung, sondern aus Selbstschutz und Klarheit.
Was bewirkt so ein „Witz“ im Team?
Er zerstört – Vertrauen, Verbindung, Gesprächskultur.
Denn während die erzählende Person lacht, fühlen sich andere degradiert.
Das ist nicht nur unprofessionell – es ist beziehungsgefährdend.
Und wer lacht, um andere zu entwerten, darf sich nicht wundern, wenn ihm niemand mehr freiwillig etwas erzählt oder nicht gerne mit ihm zusammenarbeitet.
Kontextbewusstsein
Das bedeutet: Humor braucht Kontextbewusstsein. Kontextbewusstsein heißt: Ich überlege nicht nur was ich sage, sondern wo, wann und an wen. Ein Spruch wie „Na, wieder zu viel PMS im Raum?“ mag unter sehr engen Freundinnen als Schmäh funktionieren – im Teammeeting mit Kolleg:innen oder einer neuen Praktikantin? Ist er völlig daneben…
Der gleiche Satz kann verbindend oder verletzend sein – je nach Beziehung, Umgebung und Stimmung.
Warum Haltung entscheidend ist
Humor ist mutig. Und er kann schiefgehen.
Manchmal triffst du einen wunden Punkt, den du gar nicht kanntest. Oder du übersiehst, was der Kontext eigentlich bräuchte: mehr Ruhe, mehr Raum, weniger Pointe.
Das lässt sich nie ganz vermeiden. Denn Humor ist lebendig, nicht planbar. Aber es gibt ein Wundermittel, das selbst einen misslungenen Witz entwaffnen kann – und manchmal sogar in echte Nähe verwandelt: eine wertschätzende innere Haltung.
Denn ein Witz, eine humorvolle Bemerkung, ist nie neutral.
Was zählt, ist nicht nur der Satz – sondern die Haltung dahinter.
Kommt er aus Einladung, aus Entlastung, aus dem Wunsch, Verbindung zu schaffen?
Oder aus dem Bedürfnis, sich zu erhöhen, Druck loszuwerden – vielleicht sogar aus Ärger oder Rechthaberei?
Wenn die Haltung nicht auf Beziehung gerichtet ist, wird Humor schnell zur Waffe. Oder zur Mauer.
Selbsttest: Ist mein Humor förderlich – oder verletzend?

Vielleicht denkst du jetzt: „Muss ich wirklich jeden Witz auf die Goldwaage legen?“
Nein, natürlich nicht. Aber wenn du schon einmal erlebt hast, dass nach deinem gut gemeinten Spruch plötzlich Schweigen herrscht – oder jemand die Augenbrauen hob, während du noch lachst – dann weißt du, wie schnell Humor kippen kann.
Und genau deshalb lohnt sich ein kurzer, innerer Check. Nicht aus Angst vor Fehlern, sondern aus dem Wunsch, Humor bewusst zu nutzen – als Brücke, nicht als Stolperfalle.
Beantworte folgende Fragen ehrlich – am besten, bevor du sprichst (oder direkt danach, wenn du Zweifel spürst):
- Erste Hilfe Frage: Würde ich denselben Witz lustig finden, wenn er über mich gemacht würde – in derselben Rolle?
- Würde ich ihn auch machen, wenn ich weniger Macht hätte als mein Gegenüber?
- Dient der Humor dem Gruppengefühl – oder meiner Aufwertung.
- Lachen alle Beteiligten mit – oder lache vor allem ich?
- Bleibt nach dem Lachen ein Gefühl von Verbindung – oder Distanz?
👉 Wenn du bei mehreren Fragen zögerst oder „Nein“ denkst: Reflexion lohnt sich. Humor ist kein Selbstzweck.
Natürlich weiß ich: In der Hitze des Gesprächs hast du selten die Ruhe, dir diese Fragen in aller Tiefe zu stellen. Und oft bleibt keine Zeit, um innerlich eine Checkliste abzuhaken.
Aber genau deshalb gebe ich dir diesen Gedanken mit:
Wenn du unsicher bist, ob eine humorvolle Bemerkung gerade passt – lass sie lieber einmal weg.
Und nimm dir später – so bald wie möglich – Zeit, die Fragen schriftlich zu reflektieren.
Warum schriftlich?
- Weil Schreiben strukturiertes Denken ist.
- Weil du beim Schreiben nicht nur spürst, dass etwas in dir arbeitet – sondern auch was.
- Und weil du deine Erkenntnisse festhältst: nachvollziehbar, klar und wachstumsorientiert.
Ich weiß: Das ist Selbstreflexion auf hohem Niveau. Aber sie lohnt sich.
Und das Beste: Du brauchst es nicht für immer machen. Wenn du diese Reflexion 3 bis 5 Mal gemacht hast, entwickelst du ein Gefühl für deinen Humor.
Du wirst schneller.
Du spürst schon im Gespräch, was passt.
Und mit der Zeit – brauchst du die Fragen gar nicht mehr.
Weil deine Haltung sich meldet, noch bevor dein Witz es tut.

Du willst deine Wirkung bewusst reflektieren – ohne gleich auf dem nächsten Fettnäpfchen auszurutschen?
Dann lade dir hier den Selbsttest als PDF herunter.
Zum Ausdrucken, Notieren, Denken mit Stift. Oder digital – wie du willst.
Dein Gewinn ist förderlicher Humor: Was er bewirkt
Hilfreicher Humor muss keine Pointenmaschine sein. Oft reicht ein stilles Lächeln, ein Wechsel des Blickwinkels, ein leichtes Lösen der Spannung.
Förderlicher Humor…
- …öffnet Denkräume, ohne bloßzustellen.
- …lässt Menschen sich sicher und angenommen fühlen.
- …hilft, Fehler als Entwicklungschancen zu sehen.
- …verändert die Perspektive – ohne die Würde zu gefährden.
- …gestaltet eine gute Stimmung – und macht einfach Spaß.
Und autoritäre Systeme? Da lacht niemand.

In autoritären Strukturen gibt es keinen Raum für echten Humor. Warum? Weil dort alles zu ernst genommen werden muss – vor allem die Mächtigen sich selbst.
Humor wird zensiert, bestraft oder instrumentalisiert.
Ergebnis:
- Keine Innovation (weil Fehler vertuscht werden)
- Keine Beteiligung (weil Angst herrscht)
- Kein Vertrauen (weil niemand lacht, ohne zu fürchten)
Humor ist also auch eine Innovationshaltung.
Wer sich selbst nicht zu ernst nimmt, macht Entwicklung möglich.
Fazit: Humor mit Haltung ist Führungs- und Innovationskompetenz
Lachen ist kein Nebenschauplatz. Es ist ein Beziehungstest.
Gelingt es dir, mit Menschen zu lachen, nicht über sie – dann hast du eine gute Grundlage für Führung, Innovation und echte Zusammenarbeit gelegt.
Humor mit Haltung ist der Moment, in dem wir kurz aufhören, uns zu verteidigen –
und gemeinsam sehen, dass das Leben leicht sein darf. Trotz allem.
PS: Übrigens, es gibt auch gute Frauenwitze. Zum Beispiel:
Wie viele Frauen braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?
Eine. Sie muss nur vorher noch den Raum entgiften, „mental load“ abwerfen, den alten Patriarchalcode dekodieren – und dann wechselt sie sie halt. Still. Und effizient.
Auch wenn Humor als Führungskompetenz nichts mit Witzeerzählen zu tun hat… 😉
HSQ – Humor Styles Questionnaire – die wissenschaftliche Möglichkeit einer Selbsteinschätzung
Martin, R. A., et al. (2003). The Humor Styles Questionnaire (HSQ): Measuring individual differences in uses of humor.
👉 Hier der Test für dich , eine
anonyme Selbsteinschätzung, allerdings in englischer Sprache. Mit Erklärung am Ende, die Testung ist einfach und übersichtlich – allerdings ohne universitäre Lizenz.
Wenn du lieber mit einem wissenschaftlich lizenzierten Tool arbeiten möchtest, findest du hier eine zweite Möglichkeit:
👉 www.psytoolkit.org/survey-library/humor-hsq.html
Wenn du auf „Run the Demo“ klickst und anschließend „Click here to run a demo of the survey“, startet der Test. Er ist vollkommen anonym, zeigt aber nur Zahlenwerte – ohne begleitende
Erklärung. Die universitäre Lizenz hilft hier also leider nicht bei der Einordnung.
Humor ist Haltung. Und Haltung kann man üben.
Wenn du Lust hast, das zu erleben – in einem sicheren, lebendigen Rahmen:
„Lach doch, Chefin!“ ist ein 90-Minuten-online-Seminar für alle, die mit Gruppen arbeiten, führen oder einfach bewusster wirken wollen.
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